Das Buch „Faszination Fahrrad“ von Pryor Dodge aus dem Delius Klasing Verlag geht über 200 Seiten detailliert auf die Historie des Fahrrads und dessen Einfluss auf Gesellschaft, Kultur und technischen Fortschritt ein.
Fahrrad und Gesellschaft
Gesellschaftliche Entwicklungen wurden vom Laufrad über das Hochrad bis zum heutigen Niederrad stark beeinflusst. Vor der Verbreitung des Automobils förderte es die Gleichstellung sozialer Schichten und war ein wichtiger Grundstein zur Frauenemanzipation. Auch der Einfluss der neuen Mobilität auf Mode und Kultur beschreibt „Faszination Fahrrad“ ausführlich und stellt interessante Zusammenhänge her. Wie viele Erfindungen blieb auch das Rad nicht von Widerstand, Skepsis und Strafen verschont. 1832 schrieb das Mechanics Magazin:
Der Mensch ist eine Fortbewegungsmaschine, von der Natur selbst geschaffen und sollte nicht von sterblichen Erfindungsgabe durch das Hinzufügen von ein paar Kurbeln und Rädern verbessert werden.
Auch die Tabakindustrie schloss sich dem Widerstand an, schließlich erwies sich das Rauchen während der Radfahrt als unpraktisch und der Zigarrenkonsum nahm ab.
Technische Zusammenhänge
„Faszination Fahrrad“ verdeutlicht die Vielfalt technischer Fahrrad-Entwicklungen und das Streben zur Optimierung der menschlichen Fortbewegung. Die Einführung des Pedals, welches das Radfahren zu einem Balanceakt werden ließ, führte zu drei- und vierrädrigen Gefährten. Die zum Ende des 19 Jh. aufkommenden Radrennen förderten den Ehrgeiz zur optimalen Effizienz. Die Schwierigkeiten und Gefahren des Hochrades mussten überwunden werden, um das Rad massentauglich zu machen.
Wer nicht einmal fallen will, der soll gar nicht bicyceln.
Radhersteller betrieben eigens zur Verbreitung Fahrschulhallen. Doch erst das Niederrad und die Luftbereifung verhalfen dem heutigen Fahrrad endgültig zum Durchbruch. Bis in die 1920er wurden Fahrräder oft von Unternehmen aus der Waffenindustrie gefertigt, später standen Sie der Nähmaschinenindustrie nahe. Auch wenn die Fließbandarbeit der Autoindustrie, insbesondere Henry Ford, zugeschrieben wird, so wurde diese Produktionsform bereits erfolgreich in der Fahrradindustrie eingesetzt.
Technische Entwicklungen, wie die Tretlagerschaltung oder kettenlose Antriebe mit Kardanwelle wurden schon Ende des 19 Jh. realisiert und in der Geschichte immer wieder neu aufgegriffen. Bis man die perfekte Übersetzung auf gerade Ebene (eine Pedalumdrehung ergibt eine Strecke von 5m) fand, brauchte es fast ein halbes Jahrhundert.
Neuzeit
Am Ende des Buches werden Entwicklungen ab Mitte des 20 Jh. angerissen. Das „Motorbike“ ohne Motor mit Pseudotank und Ballonreifen wurde in dem USA zum Verkaufsschlager. Die schwere Konstruktion förderte jedoch eher die Entwicklung des Autos. Ende der 60er und während der Ölkrise wurde in vielen Länder das Radwegenetz deutlich ausgebaut, allen voran in den Niederlanden und den skandinavischen Ländern. 1992 fanden in San Francisco die ersten Critical-Mass-Rides statt. Sie sollen ein Gegenpol zum Autoverkehr schaffen und das Fahrrad in der Stadt fördern. Während in westlichen Ländern das Rad zunehmend als Freizeitgerät Einsatz findet, ist es in vielen asiatischen Ländern noch das wichtigste Transportmittel für Waren aller Art.
Fazit
Das umfangreiche Buch zur geschichtlichen Fahrrad Entwicklung mit Schwerpunkt auf gesellschaftliche Einflüsse ist schön bebildert und ausgezeichnet geschrieben. Inhalte werden mit historischen Aufnahmen und alten Anzeigen aufgelockert. Technische Details und Bilder stehen bei diesem Werk aber nicht im Vordergrund. Wer sich vor allem für Anfänge des Fahrrads interessiert, findet mit „Faszination Fahrrad“ ein erstklassiges Buch.